Freitag, 14. November 2014

Portrait: Woche der inhabergeführten Buchhandlungen vom 10. bis 16. November 2014

Höchste Zeit, dass ich meine Lieblingsbuchhandlungen in Hamburg vorstelle:


Frank und Steinwarder in der Hohenluft

 

 

Frank ist eine Frau, nämlich Kerstin Frank. Und Steinwarder ist Ulrike Steinwarder. Frank und Steinwarder. Zwei Freundinnen, beide um die vierzig, die gemeinsam im Mai 2011 die Buchhandlung übernahmen, die schon seit 1950 besteht. Buchhändlerin die eine, Illustratorin die andere. Es liegt auf der Hand: Das illustrierte Buch steht im Vordergrund. Die illustrierten Bücher der Hamburger Illustratoren. Hamburg ist die deutsche Hochburg der Buchillustration, v.a. Kinderbuch und Graphic Novel.  Die Hochschule vor Ort, die HAW, im Volksmund auch „die Armgartstraße“, prägt seit gut zwei Jahrzehnten die deutschsprachige Bilderbuchhwelt. „Immer, wenn mir ein Bilderbuch besonders gefällt, wenn der besondere Strich besticht und ich nachsehe, wo der Illustrator studiert hat, dann stellt sich heraus, dass er aus Hamburg kommt. Die visuelle Vielfalt, die hier entsteht, ist unglaublich.  Dieser Schatz braucht einen Raum hier in Hamburg“, sagt Kerstin Frank. „Von Anfang an planten wir Ausstellungen mit den Illustratoren hier vor Ort.“ Ich erinnere mich v.a. an die Ausstellung mit dreidimensionalen Scherenschnitte von Katja Ertzinger.

Zu einem kurzen Besuch komme ich in die Buchhandlung - und bleibe sieben Stunden. Sieben Stunden.
Kaum bleibt Zeit zu einem Buchhandlungsinterview mit Kerstin Frank, die heute nachmittag Dienst hat. Die Kunden gehen ein und aus. Zum Zeichnen wunderbar: Leise stehe ich dabei, als Kerstin berät, recherchiert, Bücher vorstellt. Ein Portrait in Aktion ist am besten. Kerstins blaue Augen strahlen. Sie ist in ihrem Element, wenn Publikum hereinströmt. „Rampensau“ sagt die Berlinerin von sich selbst. Sie redet gerne, das stimmt, aber genauso gerne hört sie auch zu .Wünsche der Kunden liest sie von den Lippen ab. Ich staune, als Herr B. kaum den Fuß in den Laden gesetzt hat. Die beiden kennen sich. Es wird geflaxt, was das Zeug hält. Der Rentner bringt Schokolade und Berge von Zeitungsrezensionen. Noch bevor das erste Wort gefallen ist, sagt Kerstin Frank: „Ihr Buch, „der Spitzkohl“, das bekommen Sie morgen.“ Denn sie weiß ganz genau, dass Herr B. heute die Rezension  über das neue Buch von Helmut Kohl "Aus Sorge um Europa" in der Süddeutschen Zeitung gelesen hat und dass es seinem Interesse entspricht. Nicht nur Herrn B. begrüßt Kerstin mit Namen. Im Laufe des Nachmittags lerne ich so viele sympathische Leute in der Buchhandlung kennen. Alle sind Kunden der Buchhandlung, die meisten von ihnen inzwischen gute Freunde. Die Geigerin Herlinde, die am Freitag einen Auftritt in der Buchhandlung haben wird, genauso wie „Verenchen“, die während sie ihr Fahrrad hält, kurz von der Ladentüre die Koordinaten zur abendlichen Musiksession hereinruft. Nachbarn kommen herein und holen gelagerte Pakete ab. Joseph, vier Jahre, will am liebsten Versteckspielen, während seine Mutter nebenan Einkäufe erledigt. Jorge vertreibt Druckmaschinen, „die Rotaprint“, mit der die Bastelbögen der edition8x8 gedruckt werden kennt er sehr gut. Wir tauschen Visitenkarten.

Für die Kunden steht eine leuchtengrüne Thermoskanne mit heißem Tee bereit. Ich genieße und stöbere in den Büchern. Kleine unabhängige Verlage gehören zum Schwerpunkt der Buchhandlung. Ich entdecke das „Hamburger Kochbuch“ im Retrolook vom Junius Verlag, ein Heftchen von Jürgen Ohnmus, „Alles“ bei Maro und den wunderbaren niederländischen Schriftsteller Ted van Lieshout bei einem kleinen Münchener Verlag, Rieder Verlag. „Sehr kleine Liebe“ ist ein besonderes Buch zu einem schwierigen Thema, Missbrauch, das mich in seiner Differenziertheit nachdenklich stimmt. Ich bin beeindruckt. Das weiße Buch, mit Monotypien und Holzschnitten der Illustratorin Brigitte Püls, ist mir inmitten der kräftig bunten Bücher in der Auslage sofort ins Auge gefallen. Sofort hatte ich danach ggriffen und frage mich, warum Verlage immer meinen, weiße Umschläge würden nicht wirken. Ein weiterer Schwerpunkt ist die große Auswahl an jüdischer Literatur. Gerade geht die Graphic Novel "Die Katze des Rabbiners" von Joann Sfar über den Ladentisch. Kerstin Frank kennt die jüdische Gemeinde gut. Durch ihre eigene Familie interessiert sie sich sehr für jüdische Kultur und Geschichte. Als ich Kerstin nach ihrem illustrierten Lieblingsbuch frage, verwundert nicht, dass sie „Erikas Geschichte“ von Ruth vander Zee und Roberto Innocenti nennt. Sie hatte dieses Kinderbilderbuch über eine Holocausüberlebende damals als junge Auszubildende geschenkt bekommen - heute freut sie sich, dass das Buch bei Gerstenberg wieder frisch aufgelegt wird.

Kerstin und ich plaudern und plaudern. Zwischendurch werde ich von ihr mit Schokolade und sauren Gurken gefüttert. Diese Buchhandlung ist ein Zuhause. Es ist schön, wenn Arbeit, Freude, Freundschaft an einem Ort so verbunden werden.

Hoheluftchaussee 68, 20253 Hamburg; Telefon 040 484939

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.30 Uhr bis 19.00 Uhr, Samstag von 10.00 bis 16.00 Uhr.

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